Die Inia

und ihre Restaurierung bei Nusser Yachtbau
Historisches Foto von 1915
Historisches Foto von 1915

 

Technische Daten

Bauwerft Schlichting/Travemünde
Baujahr 1912
Länge über alles 16,20 Meter
Länge über Deck 14,00 Meter
Länge Wasserlinie 10,00 Meter
Breite über alles 3,50 Meter
Tiefgang 1,70 Meter
Verdrängung ca. 15 Tonnen

Geschichte der Inia

Die Inia wurde 1912 in der Schlichtingwerft auf Kiel gelegt. Von vornherein wurde ein damals hochmoderner Gardnermotor mit 20 PS und ein externer Generator eingeplant. So ein Motor wog 1912 immerhin über eine Tonne. Dazu kam der Generator mit sicher zusätzlichen 300 Kilo. So erklären sich die 1.300 Kilo Zusatzgewicht im Deplacement. Das leere Schiff wog am Kran etwas weniger als 12 Tonnen.
Die Inia dürfte eines der ersten – vermutlich sogar das erste – Schiff der Schlichtig Werft gewesen sein, das nicht als Fischer- oder Arbeitsboot auf dem Priwall entstand, sondern als Yacht für einen privaten Eigner gebaut wurde. Man kann noch heute an den Spanten sehen, dass die Werft mehr von Schiffszimmerleuten als von Yachtbauern betrieben wurde. Das blieb offensichtlich bis 1929 so. Denn als Max Oerz seine INGORATA dort bauen ließ, war er entsetzt darüber, dass anstelle von Messingschrauben einfache Stahlschrauben verwendet wurden. Bei Inia wurde das auch schon so gemacht. Trotzdem hat sie 95 Jahre überstanden!
Das Schiff wurde 1912/13 bereits unter Bauaufsicht des Germanischen Lloyd gefertigt. Die Inneneinrichtung und der Decksaufbau ist in den 20er Jahren bei Abeking und Rasmussen aus edlem Kubanischem Tabasco Mahagoni gefertigt worden. Die damalige Neugestaltung sah ein etwas längeres Deckshaus vor.
Der Name Inia leitet sich ab vom Amazonasdelfin (Inia geoffrensis), auch Boto genannt, ein in Südamerika verbreiteter Flussdelfin. Die Segelyacht Inia ist die erste Fahrtenyacht, die aus den Linien der Deutschen Nordseefischerboote entstand. Die Unterwasserlinien sind von Heereshoffs revolutionierenden Rissen Anfang der 1890er Jahre inspiriert.
Seinerzeit musste auf Gusseisen als Alternative zu Blei ausgewichen werden, da Blei zum Gießen von Kugeln verwendet wurde, und auch für einen reichen Fabrikanten war es nationale Pflicht, der Rüstung Rohstoffe zu erhalten. Das Gießen des Eisenkiels ist aufwändiger als das von Bleikielen, und Eisen bringt weniger aufrichtendes Moment.
Gleichzeitig sollte das Schiff möglichst wenig Tiefgang haben, um in den heimischen Gewässern, der Ost- und Nordseeküsten, als Fahrtenyacht besser geeignet zu sein. So ersann der Konstrukteur J. Koser aus Hamburg eine Yacht mit großer Anfangsstabilität, was ein für damalige Verhältnisse sehr schnelles Schiff ergab. Für die Sicherheit als ozeantaugliche Yacht wurde die Segelfläche mit 106 Quadratmetern relativ klein bemessen. Damals vergleichbare Schiffe trugen um die 120 Quadratmeter.

Der ungewöhnliche Werdegang

Das Boot wurde 1936 mit 33 jüdischen Emigranten an Bord nach USA gesegelt. Dort trug man es als neues Schiff mit Baujahr 1936 ins Amerikanische Schiffsregister ein. Offensichtlich wurde die Überfahrt gut vorbereitet, denn kurz vor der Fahrt bekam Inia ein neues Teakdeck. Um unter Deck mehr Platz zu schaffen, verzichtete man auf den Wiedereinbau des Cockpits. Die Kojen im Heck der Yacht, welche seinerzeit eingebaut wurden, befanden sich noch dort. Spätere Eigner hatten die Tanks für den neuen Motor einfach daraufgestellt. Der originale Gardner Motor wurde vermutlich bereits damals ausgebaut, um die enorme Anzahl von Passagieren aufnehmen zu können. Die Einbaumaschine dürfte ca. eine Tonne gewogen haben und war Anfang der 30er Jahre überholt, so dass die Entscheidung leicht gefallen sein dürfte.

Nach dem Krieg verlor sich die Spur der Yacht zunächst. Irgendwann bekam das Schiff dann den neuen Namen: „JOLIE BRISE“, nach einem berühmten Vorgänger. Nun hat Inia nicht sonderlich viel mit einer Englischen Kutteryacht zu tun. Lediglich die Gaffeltakelung und den Bugspriet haben die beiden gemein. Aber vielleicht gab es ja durch die Eigner Gemeinsamkeiten?
Der nächste Eigner war ein ehemaliger Vietnam-Kämpfer, der das Boot seit den 60er Jahren sein Eigen nannte. Er nutzte das Boot zum Drogen und Waffenschmuggel und zuletzt, in verwahrlostem Zustand, nur noch als schwimmende Wohnung. Das immer mehr herunterkommende Schiff erhielt den Namen „BAD ATTITUDE“ (schlechte Einstellung). Der Name war Programm! Nach mehreren Razzien durch die Hafenpolizei setzte sich der Eigner nach Mexiko ab. Er verlies bei Nacht und Nebel den Hafen, hatte aber vorher in einem Brief dem Hafenmeister das Schiff vermacht. Der ehemalige Eigner fiel dann eines Nachts in Mexiko vom Deck eines anderen Seglers und ertrank.

Die von edlen Schiffen begeisterte Kalifornierin Coleen Page entdeckte Inia, als es schon fast zu spät für das Schiff war. Trotz persönlicher Probleme durch Scheidung und anderes Ungemach kaufte Page das Schiff, um es vor der drohenden Verschrottung zu retten und einen neuen Eigner zu finden, der die Restaurationsaufgabe übernimmt. Durch ihren Artikel in der Zeitschrift „Wooden Boat“ wurde der schwäbische Schiffsbaumeister Gerhard Nusser im Jahre 2006 auf das Schiff aufmerksam. Mit seiner Reise nach Kalifornien begann ein neuer Lebensabschnitt für Inia.

Die Rückkehr der Inia

Gerhard Nusser übernahm das heruntergekommene Schiff im August 2006 an der Mooring von Pillar Point bei Halfmoonbay in Kalifornien. Mit Hilfe von Dr. Kerstin Verpoorten konnte er die Harbour Police davon überzeugen, die Yacht an Ort und Stelle per Autokran auszukranen. Auf dem dortigen Parkplatz wurde das Schiff dann komplett vermessen und zerlegt.
Alle geschmiedeten Originalteile konnten gesichert werden. Sogar das originale Kompassgehäuse und nahezu alle Bestandteile der wertvollen Saloneinrichtung aus Tabasco Mahagoni, die in den 20er Jahren von A&R eingebaut wurde, konnten gerettet werden. Vom Rigg fehlten ebenfalls nur wenige Teile.

Was für Linien!
Das Ruderblatt mit Schraubenbrunnen. Hier kann man sehen, dass das Schiff von vornherein mit einer Einbaumaschine ausgerüstet war. Nachträglich eingebaute Motoren hinterlassen oftmals zu kleine Ruderflächen, oder man baut die Schraube gleich neben das Ruderblatt.
Das Hauptschott vor dem Ausbau aus kubanischem Tabasco Mahagoni in sehr gutem Erhaltungszustand.
Beim Zerlegen wunderte sich Nusser und seine Begleiterin über die eingelassenen Schlingen in den Decksspanten, obwohl das Schiff kein Cockpit hatte. Bei der Überprüfung der alten Pläne fanden die beiden heraus, dass das Cockpit offensichtlich entfernt wurde, um unter Deck mehr Platz zu schaffen. Unter den Tanks die im Achterschiff eingebaut waren, fanden sich noch alte Kojen, die nur nach der Entfernung des Cockpits eingebaut worden sein konnten. So lässt sich diese Änderung gegenüber den Originalplänen in die Zeit vor 1936 einordnen. Nach dem Zerlegen und Vermessen machten sich die Einzelteile anschließend per Containerladung auf den Weg nach Süddeutschland.
Das Schiff wurde vollständig zerlegt …
… und im Container von San Francisco nach Deutschland transportiert.

Nach zwei Monaten abenteuerlicher Fracht durch Panalpina war die Fracht trotzdem durch den Zoll gekommen. Und obwohl der Container in Norddeutschland nicht wieder verschlossen wurde fehlen nur wenige Teile. Glücklicherweise keine unersetzlichen Gegenstände vom Schiff! Mit dem Wiederaufbau kann somit bald begonnen werden. Der Transport dauerte ca. 4 Wochen von Kalifornien nach Deutschland. Weitere 4 Wochen brauchte es durch immer wieder auftretende Verzögerungen, die ihren Ursprung in der schlechten Auftragsabwicklung durch die beauftragte Spedition hatten.

Auf der Basis der wieder entdeckten alten Pläne und der Vermessungsarbeiten am Original entstanden neue CAD Pläne am Computer. Gleichzeitig begann die Suche nach geeigneten Hölzern für den Wiederaufbau.Das seinerzeit geänderte Deckshaus soll weiter verwendet werden. Die ursprünglich vorhandene Sitzwanne als Plichtgestaltung, wird wieder geschaffen werden. Die originalen Beschläge sind fast vollständig erhalten.

Hier im schwäbischen Offingen wird das Schiff aus den vorhandenen Teilen neu entstehen.
Durch einen Logistikfehler der beauftragten Spedition geriet das Abladen des Containers zur Nachtaktion unter erschwerten Bedingungen.

Wird der Name Inia nochmals Programm sein? Segelt das Schiff eines Tages wieder rund um Südamerika? Nach Indra und Irene ist Inia das dritte Schiff von Gerhard Nusser welches mit dem Buchstaben „I“ beginnt. Gleichzeitig werden die Schiffe (so wie der Eigner) immer älter.

Ein Seestern an Deck der Inia
3201_August_2006-017 So haben wir Sie vorgefunden:
Immerhin, sie schwamm noch auf eigenem Kiel, wenn auch schon lange nicht mehr auf der errechneten Konstruktionswasserlinie. Ohne Innenballast und Ankereschirr schwamm der Bug hoch auf und das Schiff wirkte Hecklastig. Traurige Rostfahnen fanden durch die einst makellose Lackierung.
3203_IMG_2433 Hier entstand 1912 die Segelyacht INIA unter heute kaum noch vorstellbaren Arbeitsbedingungen am Strand, weitgehend unter offenem Himmel.
Lediglich Einzelteile, die Inneneinrichtung und das Rigg entstanden in Schuppenähnlichen Werftgebäuden. Eine solide schmiede hatte man bei Schlichting zu diesem Zeitpunkt längst auch schon.
Nur einer unserer Mitarbeiter kennt solches Arbeiten noch aus der eigenen Lehrzeit.
3204_IMG_2454 Die damalige Baumannschaft bei Schlichting in Travemünde auf dem Priwall.
3211_INIA_Californien_2006-163 Der in den 20er Jahren bei A&R neu entstandene Salon konnte komplett sichergestellt und geschützt im Container in die alte Welt zu „Nusser Yachtbau“ zurückexpediert werden.
3212_Originalmotor Der Originalmotor der INIA:
Weltweit ist nur noch ein einziges Exemplar dieser Motoren bekannt. Die einzige noch erhaltene Maschine dieses Typs befindet sich im Anson Engine Museum/Cheshire in Großbritannien.

Nach dem Säubern des Unterwasserschiffes und Auskranen wurde die Yacht vermessen und für den Transport zerlegt:

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3202_Gerhard_034 Nach getaner Arbeit

Zu Hause wurden auch alle Einzelteile –soweit nicht schon in Amerika geschehen- Nummeriert, Fotografiert, Vermessen und im CAD nachgezeichnet. Aus einem großen Puzzle entstand so nach und nach –zunächst noch virtuell- die INIA erneut.

3213_Puzzle_001
3214_Puzzle_002
3206_IMG_7983 Im Dezember 2010 kommt der Decksaufbau der INIA beim Jahresrückblick „Menschen 2010“ von Thomas Gottschalk zu TV-Ehren. Das Deckshaus der INIA wird Kulisse für das Unglück mit dem Buckelwal als die Yacht von Pierce und seiner Frau Juanita Rass vor Kapstadt sank.
3205_IMG_7977 Das Deckshaus musste über verschneite Straßen zu den Bavaria Filmstudios gebracht werden.

! -Werden Sie Eigner dieser einmaligen Yacht mit herausragenden Segeleigenschaften- !
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Kaufpreis:    29.000,– € zzgl. MwSt.

Die Restauration kommt einem Neubau gleich. Obschon bereits umfangreiche Vorarbeiten gemacht sind, steht das Projekt noch am Anfang. Gerne machen wir Ihnen ein Angebot für die Ausführung nach Ihren Wünschen.